Das Bergbaudorf Friedrichssegen hatte aufgehört zu bestehen. Am Tagschacht ging nur noch der Schulbetrieb seinen normalen Gang. Bemerkenswert ist eine Zeitungsnotiz aus dieser Zeit: Die vor einem Menschenalter entstandene Grube Friedrichssegen ist schon seit einigen Tagen vollständig stillgelegt worden. Zur Zeit ihrer höchsten Blüte beschäftigte die Grube 1 100 Arbeiter, wovon die Mehrzahl sich bei der Grube in der so genannten Kolonie Friedrichssegen ansässig machte.

Es entstand dort eine Schule mit über 100 Kindern und zwei Lehrern, sowie eine Postagentur. Noch vor 25 Jahren wurde durch die Grubenverwaltung eine gemeinschaftliche Kirche für Katholiken und Protestanden gebaut. Die Katholiken gehören zur Pfarrei Braubach, das Amt wird jedoch von Geistlichen aus Oberlahnstein ausgeübt. Die Protestanten gehören zur Pfarrei Frücht. Ein großer Teil der Bergleute ist bereits nach anderen Arbeitsstätten abgewandert, nur noch wenige Mann sind da, die mit Aufräumungsarbeiten beschäftigt werden.

Es wäre zu begrüßen, wenn die vorhandenen Gebäude für einen anderen industriellen Betrieb verwendet würden, da ja sämtliche Bequemlichkeiten für jeden Betrieb vorhanden sind. Leider haben sich diese Wünsche nicht erfüllt.

Die Grube Friedrichssegen wurde zur Industrieruine.

Das Konkursverfahren kam nur schleppend voran. Es dauerte bis 1919. Am 1. August 1914 brach der 1. Weltkrieg aus. Endlich ist eingetroffen, was uns vaterlandbesorgte Männer längst befürchtete. Die Einkreisungsploitik des krämerhaften Albions hat ihr Ziel erreicht. Trotz der aufrichtigsten Friedensliebe unseres teuren Friedenskaisers ist der Krieg nun da. Der Mord von Sarajewo hat den Stein ins Rollen gebracht.

So steht es in der Kriegschronik der Schule Friedrichssegen. Wie und wohin dieser Stein rollte, wissen wir heute genau. Schlimme Zeiten standen auch den verbliebenen Einwohnern von Friedrichssegen bevor. Tod, Not, Hunger und Elend prägte die Zeit und auch die Menschen. Bis 1916 waren 48 Männer aus Friedrichssegen zum Heer einberufen und schon 8 Männer gefallen und 1 Mann vermißt. Noch immer hatte der Krieg kein Ende.

In dieser Zeit verfielen die Wohnungen im Kölsch Loch und Tagschacht immer mehr. 1918 war der Weltkrieg verloren. Aus diesem Krieg kamen insgesamt 12 Friedrichssegener Männer nicht mehr zurück. Es waren dies:

Willi Schmitt Johann Kadenbach
Julius Schäfer Josef Kadenbach
Heinrich Keiper Emil Barth
Heinrich Becker Ferdinand Eschenauer
Christian Arnold Johann Scheidt
Toni Bach Emil Theis.

Die wirtschaftliche Lage Deutschlands verschlechterte sich zusehends. Die zurückkehrenden Soldaten wurden in ihre Heimat entlassen. Viele der Männer, die jahrelange kein normales Leben führen konnten, heirateten und gründeten trotz der sehr schlechten Zeit Familien. Diese brauchten Wohnungen, die ja im Kölsch Loch und Tagschacht, wenn auch verfallen, reichlich zur Verfügung standen.

Die Stadt Oberlahnstein kaufte diese von den Lahnsteiner Bürgern, die sie aus dem Konkurs der Grube verbliebene Konkursmasse nach Abschluß des Verfahrens 1919 für 80 000 Mark erworben hatten, reparierte diese notdürftig und bevölkerte diese beiden Ortsteile wieder.

Die Behörden stellten schon 1919 fest, daß sich die Tagesanlagen des früheren Bergwerkes Friedrichssegen in einem Zustand befinden, die den berechtigten Anforderungen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit nicht entspricht.

Dieser Zustand gibt umso mehr zu Bedenken Veranlassung, da jetzt die Instandsetzung einzelner Gebäude zum Zwecke der Nutzbarmachung in Angriff genommen ist. Bevor diese Gebäude wieder benutzt werden ist sicherzustellen, daß auch alle anderen Anlagen in diesen Zustand versetzt werden, sodaß für den Verkehr der dort wohnenden und verkehrenden Menschen, insbesondere auch der Kinder keine Gefahr besteht.

Es ist also in Aussicht zu nehmen: Abbruch aller einsturzdrohenden, stark baufälligen und nicht weiter zu unterhaltenden Gebäude.

Instandsetzung aller übrigen Gebäude zur Sicherstellung gegen den Zusammenbruch und gegen unbefugtes Eindringen in gefährliche Keller und Bodenräume. Zuschüttung aller für die in der Nähe verkehrenden Personen insbesonders auch für Kinder gefährlichen Gruben, Kanäle, Keller und Bodenräume. Hierüber wurde lange gestritten, wer denn nun für diese Abeiten zuständig sei und wer die Kosten zu tragen habe.

Wie dieser Zustand beseitigt wurde kann man aus entsprechenden Berichten in Zeitungen (Industrieruinen) und auch der Schulchronik der Schulen in Friedrichssegen erkennen und auch zum Teil noch heute sehen.

Zur Konkursmasse gehörte auch die Friedenskirche im Kölsch Loch und kam unter den Hammer. Die Chronik der Pfarrei Frücht, zu der ja die Kirchengemeinde Friedrichssegen gehört, sagt dazu: Glocken und Orgel kaufte Becheln, Kanzel, Altar und Bänke erwarb Seelbach bei Nassau, den Ofen erstand Frücht, die Fenster kamen nach Oberlahnstein. Später stellte sich heraus, daß die Kirche, wie schon bei der Grundsteinlegung angenommen, nicht auf werkseigenem Boden stand und nie hätte zur Konkursmasse werden dürfen, und das Inventar hatte ja sowieso nichts mit dem Werk zu tun gehabt, weil es aus Spenden beschafft wurde.

Niemand hatte voraussehen können, daß schon 30 Jahre nach dem Bau die schön im Wald erbaute, gotische Kirche der Zerstörung anheimfallen würde. Wiederherstellung erscheint aussichtslos; betrugen doch nach Kostenanschlägen aus dem Jahre 1929 die Wiederherstellungskosten 25 000 RM. Dies scheint ganz unmöglich, da sie bis auf die Fundamente hinunter naß und zersetzt ist.

Zu dieser Zeit ist in dem Roman "Der Starke", in dem Friedrichssegen unter dem Namen "Berndenbach", in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts beschrieben wird, folgendes von einem alten Lehrer erzählt:

"Die Wohnhäuser sind langsam zerfallen, bis schließlich alles so war, wie es heute ist. Die Wohnungsnot kam in den Städten. Erinnern Sie sich noch?

Hierher in die zerfallenen Buden wollte kein Mensch, das können Sie sich denken! Aber die Stadtverwaltung Attenstein hat sich auf einmal an die Siedlung erinnert und hat die Wohnungssuchenden zwangsweise hier herausgeschickt. Sie wissen schon, wie das gegangen sein wird. Man kann so fein zwingen in solchen Fällen und auftreten dabei wie ein Wohltäter. Kurz und Gut: Die Unliebsamen, die man in der Stadt loswerden wollte, kamen hierher, und Berndenbach wurde so nach und nach die Schuttabladestelle für zwei Städte- Gerba machte sehr bald mit.

Auf diese Weise ist Berndenbach ein Sammelplatz für dunkle Elemente geworden. Oft hat die Polizei die Leute hierher gebracht, und die einzelnen Beamten waren froh, wenn sie gehen konnten, und wenn sie die Gesellschaft los waren.

Von den ehemaligen Bewohnern sind 2 Arbeiterfamilien der Rest. Die haben sich angepaßt."

Mit diesem Roman wollte der Autor auf die schlimmen Zustände in Friedrichssegen aufmerksam machen.

Zu dem von dem alten Lehrer in dem zitierten Roman "Der Starke" gemach-ten Äußerungen hinsichtlich der Feststellung : "Sie wissen schon ,wie das gegangen sein wird" gibt es ein Zeitdukoment mit folgenden Wortlauf:

"Die Polizeiverwaltung. Oberlahnstein, den 17. August 1929
Abteilung IV.

Herrn Peter F
Friedrichssegen

Zur Verhütung von Obdachlosigkeit werden Ihnen in dem Krickelberg`schen Hause in Friedrichssegen vorübergehend als Obdach 2 Räume und neben dem ehmaligen Wolfschen Haus 1 Stallraum ab 14. 8. 1929 zur Verfügung gestellt.

Für diese Räume haben Sie pro Monat 13.-- Rm an die Stadtkasse Oberlahnstein abzuführen. Sie werden ersucht sich nach einer anderen Unterkunft umsehen zu wollen, da die Wohnung nicht als Dauerwohnung zu betrachten ist.

gez. Dr. Weber

Der Männergesangverein "Eintracht" wurde schon bald aus dem Gesangverein "Maienblüte" wieder gegründet und übernahm die Tradition des schon 1895 bestehenden Männergesangvereins "Eintracht" Friedrichssegen.

Aus der Geschichte des MGV "Eintracht" schreibt 1956 zum 60 Gründungsfest Willi Kaiser, einer der rührigsten 1. Vorsitzenden des MGV:

60 Jahre MGV. "EINTRACHT FRIEDRICHSSEGEN"
60 Jahre Dienst am deutschen Lied

60 Jahre Kulturschaffen in Friedrichssegen

Der MGV. "Eintracht" Friedrichssegen kann heute, als der einzigste Verein im Heimatort, auf eine lange Tradition zurückblicken. 60 Jahre Schaffen und Leisten im Männerchorgesang berechtigen bestimmt dazu, einen kurzen Rückblick zu halten und Einzelheiten der Entwicklung des Gesangvereins in unserer Heimat an dieser Stelle an unserem Auge vorbeigleiten zu lassen.

Im Jahre 1896 faßten in Friedrichssegen wenige Männer den Entschluß, neben dem MGV "Glückauf" einen Gesangverein zu gründen, für diejenigen sangesfreudigen Männer, welche nicht unter der Erde ihr Brot verdienen mußten. Chorleiter wurde Musiklehrer Köhler, Bad Ems. Als Probelokal diente eine kleine Halle in der Neuen Welt. Vorsitzender war Sangesbruder Scheuer. Er verstand es mit viel Geschick, den Verein über manche Schwierigkeiten der ersten Jahre hinwegzubringen.

Unter der meisterlichen Stabführung seines Dirigenten konnte der Chor in Nassau, Becheln und Nievern beachtliche Erfolge erringen. Es erscheint besonders erwähnenswert, daß der Chor in Nassau den von Freiherrn vom und zum Stein gestifteten Preis erringen konnte.

Nachdem Musiklehrer Köhler seine Dirigentschaft abgeben mußte, übernahm Lehrer Bruchhäuser die musikalische Leitung des Vereins. Er übte mit der Geige und konnte bemerkenswerte Leistungen mit der kleinen Sängerschar erreichen.

Nach Stilllegung der Blei- und Silbergrube wurde Lehrer Bruchhäuser nach Nied versetzt. Durch seine Versetzung und den Ausbruch des ersten Weltkrieges hörte die Vereinstätigkeit vorübergehend auf.

Im Monat Mai des Jahres 1921 faßten einige Sangesbrüder im Lokal "Zur Waldesruh" den Entschluß, in Friedrichssegen die Sangestätigkeit wieder aufzunehmen. Auf Vorschlag des Sangesbruders Anton Muth wurde der Quartett-Verein "Maienblüte" genannt. Dirigent wurde Gastwirt Karl Güll, Becheln. Als Vorsitzender wurde Sangesbruder Gustav Barth gewählt.

Um den Verein lebensfähig zu gestalten, wurde nach Rücksprache mit den noch lebenden Mitgliedern des MGV "Eintracht" nach kurzer Zeit der Namen "Maienblüte" in den Namen "Eintracht" geändert. Unter der noch vorhandenen Fahne versammelten sich immer mehr Mitglieder, so daß der Chor bald 50 Sänger zu verzeichnen hatte. Vorsitzender wurde Sangesbruder Anton Muth. Chorleiter der wiedererstandenen "Eintracht" wurde Lehrer Hugo Heep. Mit kaum wiederzugebendem Idealismus und unermeßlicher Kleinarbeit hat es Lehrer Heep verstanden, den Chor zu einem Klangkörper zu schaffen, welcher in der engeren Heimat auf verschiedenen Wettstreiten seine Leistung unter Beweis stellen konnte.

Auch sein menschliches Empfinden für jeden Sangesbruder war als einmalig anzuerkennen. Stellte doch Lehrer Heep jahrelang dem Verein sein Honorar zur Verfügung. Seinem Opfer, das er damit brachte, ist es zu verdanken, daß der Verein immer mehr blühte und all die Kriesenjahre gut überlebt hat. Da der Verein sich finanziell keine neue Fahne leisten konnte, hat Herr Lehrer Heep die alte Fahne aus eigener Initiative neu gestaltet und gemalt. So wird nicht allein sein musikalisches Können, sondern auch seine stete Hilfsbereitschaft in unserem Verein unvergessen bleiben und sein Name in den Sängerherzen weiterleben.

Der Besuch der Wettstreite in Singhofen, Dörnberg, Bad Ems, Hasselbach, Niederlahnstein, Horchheim und Dierdorf waren große Erfolge für Chorleiter und Verein. Die vielen wertvollen Preise und Ehrenurkunden sind Zeugen seiner einmaligen Leistung.

Aus besonderen Gründen ließ sich Lehrer Heep 1935 nach Frankfurt/Main versetzen. In einer besonderen Abschiedsfeier wurde er zum Ehrenchormeister des Vereins ernannt. Mit der Stabführung des Vereins wurde vorübergehend Nikolaus Lang aus Horchheim beauftragt.

Als der heutige Chorleiter, Musiklehrer Karl Deurer, Kamp-Bornhofen, sein Studium beendet hatte, übernahm er als seinen ersten Verein den MGV. "Eintracht". Durch einen Liederabend, sowie den Besuch des Wertungs-Singens in Niederlahnstein, konnte der junge Dirigent seine Fähigkeiten unterBeweis stellen. (Chorleiter Deurer konnte 1995 seinen 80. Geburtstag feiern. Mit den anderen früheren Vereinen brachte auch der MGV Eintracht seinem ehemaligen Chorleiter ein Ständchen.)

Da durch den Kriegsausbruch 1939 immer mehr Sänger und Dirigenten einberufen wurden, mußte der gesangliche Betrieb eingestellt werden. Leider sind der frühere Chorleiter, Herr Hugo Heep, sowie die Sangesbrüder Michelbach Albert, Wülfing Josef, Unterberger Harry, Theis August, Lautz Erich, Kreidel Willi, Becker Alfred, Schmidt Waldemar, Kaiser Werner, Laux Karl, nicht wieder zurückgekehrt. Ehre Ihrem Andenken!

Nach Beendigung des Krieges wurde im Dezember 1945 die gesangliche Tätigkeit wieder aufgenommen. Als Chorleiter übernahm Dr. Collignon, Koblenz, die Dirigentschaft. Unter seiner rührigen Leitung und unermütlichen Arbeit des ersten Vorsitzenden Wilhelm Wilmroth nahm der Wiederaufbau des Vereins einen guten Anfang, sodaß es dem Chorleiter gelang, aus Anlaß der 50jährigen Bestehens des Vereins mit einem erfolgreichen Konzert zu beginnen. Weitere Konzerte und erfolgreiche Veranstaltungen waren ein Beweis der Leistungsfähigkeit von Chorleiter und Sänger, konnte der Chor auf dem Wertungssingen in Urbar 1948 bei stärkster Konkurrenz in seiner Klasse den 1. Preis erringen. Auch der Besuch des großen Wettstreites 1949 in Neuwied war für Chorleiter und Sänger ein großer Erfolg.

Nachdem der erste Vorsitzende Wilhelm Wilmroth plötzlich verstarb, wurde der junge Sangesbruder Erich Arnold einstimmig zum 1. Vorsitzenden gewählt. Da Dr. Collignon aus besonderen Gründen sein Amt zur Verfügung stellte, wurde Erich Maurer, Kemmenau, mit der musikalischen Leitung beauftragt. Als Musiklehrer Karl Deurer aus der Gefangenschaft zurückgekehrt war und seine Tätigkeit als Chorleiter wieder aufgenommen hatte, entschieden sich die Sangesbrüder wieder für seine Stabführung. Unter seiner Leitung nahm der Chor am 22. Juni 1953 am Gesang-Wettstreit in Hillscheid teil. Bei starker Konkurrenz errang der Chor den 1. Klassenpreis und den 2. Ehrenpreis. Der Besuch des Wettstreites in Elz war ebenfalls ein schöner Erfolg. Das vom Sängerkreis Rhein-Lahn durchgeführte Kritik-Singen in Kamp-Bornhofen und Nievern war für den Chor mit der Note "sehr gut" ebenfalls eine beachtliche Leistung. Die sangespädagogisch hervorragend gestalteten Übungsabende durch Herrn Deurer und das vorbildliche, menschliche Verhältnis zwischen dem Chorleiter und den Sängern läßt in der Zunkunft eine weitere erfolgreiche Entfaltung des Vereins erwarten.

Neben der Pflege des deutschen Liedes hat sich der Verein zum Ziele gemacht, in Friedrichssegen die Gemütlichkeit und Geselligkeit zu fördern. Es dürfte anzuerkennen sein, daß der Verein bis heute an allem Geschehen in Friedrichssegen maßgeblich beteiligt war. Es muß weiter erwähnt werden, daß bei der Neugestaltung des Krieger-Ehrenmales ein großer Teil der Mitglieder sich freiwillig zur Verfügung gestellt hatten.

Mit Stolz wollen wir Sänger heute an unserem Jubelfeste auf unsere Väter zurückblicken. Wir wollen in Einmütigkeit sowie Beharrlichkeit das Bekenntnis ablegen, weiter zu arbeiten und durch Pflege der edlen Sangeskunst und heimatlichen Verbundenheit das Vertrauen der Bürgerschaft von Friedrichssegen nicht entäuschen.

Dazu helfe uns Gott. (Willi Kaiser)

Für die 3 Festtage vom 2. bis 4. Juni 1956 wurde folgendes Programm aufgestellt:
Samstag, den 2. Juni 1956

20 Uhr Festkonzert im Festzelt, anschließend Tanz

Sonntag, den 3. Juni 1956
1. Kirchgang beider Konfessionen
2. 11.00 Uhr Totenehrung am Kriegerehrenmal
3. 14.00 Uhr Freundschaftssingen im Festzelt
4. Anschließend Ball
Montag, den 4. Juni 1956
Frühschoppen im Festzelt (ab 10.00 Uhr)
ab 15 Uhr Kinderbelustigung
anschließend Abschlußball (im Saalbau Kutschmann).
Eintrittspreise:
Fest-Konzert DM 1,--
Freundschaftssingen DM 1.--
Abschlußball E i n t r i t t f r e i

Fest-Damen waren: Hildegard Kunz Helga Schuster, Brunhilde Hake Ingrid Zengler, Renate Müller, Maria Reichhardt, Regina Egenolf, Ursel Friedrich, Inge Zink, Christel Friedrich, Brigitte Theis, Anna Steinert.

Dem MGV Friedrichssegen gratulierten 17 Gastvereine. Dazu waren im einzelnen folgende Programme erstellt:

Samstag, den 2. Juni 1956, 20.00 Uhr

Fest - Konzert
1. Eröffnungsmarsch
(Blasorchester)

2. P R O L O G
vorgetragen von Brunhilde Hake und Hildegard Kunz
3. MGV "EINTRACHT" Friedrichssegen mit Blasorchester
Auf ihr Brüder ehrt die Lieder Fusan
4. Begrüßung durch den 1. Vorsitzenden des MGV
"EINTRACHT" Friedrichssegen
5. Ehrung der Jubilare durch den Sängerkreisvorsitzenden
6. MGV "EINTRACHT" Friedrichssegen
"Heilig Heimatland" Wilhelm Weis
7. MGV "Frohsinn" Oberlahnstein - Chorleiter: MD Josef Schell
a) "Weihe des Gesangs" W.A. Mozart
Priesterchor aus der Oper "Die Zauberflöte"
b) "Morgenlied" J. Rietz
8. Ansprache des Bundesvorsitzenden des Sängerbundes
Rheinland - Pfalz, Herrn Josef Schickel, Oberlahnstein
9. Ansprache des 1. Beigeordneten der Stadt Oberlahnstein,
Herrn Studienrat Nicolai
10. MGV "Cäcilia" Dahlheim - Chorleiter: Karl Deurer
"Salve Regina" Franz Schubert
"Im Dorf da geht die Glocke schon" Bernhard Weber
11. Ansprache des Protektor, Herrn Longrée, I. Bergrat
12. Mandolinenclub Frücht
13. MGV Niederlahnstein - Chorleiter: Peter Klein
"Wiegenlied" Joh. Brahms
"Meeresstimmen" Karl Kempf
14. Mandolinenclub Frücht
15. Ausklang Blasorchester

T a n z v e r g n ü g e n
Sonntag, den 3. Juni 1956, 14.00 Uhr

Freundschaftssingen
MGV "EINTRACHT" Friedrichssegen
Vorsitzender: Wilhelm Kaiser Chorleiter: Musiklehrer Karl Deurer
40 Sänger
Auf ihr Brüder
MGV "Hömberg" bei Nassau/Lahn
Vorsitzender: Adolf Bruchscheid Chorleiter: Reinhold Stahl
25 Sänger

a) Abendglöcklein
b) Ewig liebe Heimat

MGV "MIELLEN"
Vorsitzender: Franz Sümnik Chorleiter: Herbert Wolf
25 Sänger

a) Im Abendrot Schubert
b) Das ist am See der Weidenbaum Dr. Collignon

Quartettverein "OSTERSPAI"
Vorsitzender: Peter Kupp Chorleiter: Nikolaus Lang
22 Sänger

a) Hochsommerabend Wirz
b) Pferde zu vieren traben P. Zoll

MGV "1892 St. Goarshausen"
Vorsitzender: Karl Kern Chorleiter: Musiklehrer Karl Deurer
35 Sänger

a) Feiger Gedanke Lissmann
b) Kuckuck P. Zoll

MGV "Concordia Wolken"
Vorsitzender: Helmut Holste Chorleiter: Willi Rossbach
28 Sänger

a) Der Schäfer H.J. Heuken
b) Im Dorf da geht die Glocke schon Bernhard Weber

MGV "FRIEDE" Becheln
Vorsitzender: Heinrich Meffert Chorleiter: Erich Maurer
40 Sänger

a) Hymne Riecke
b) Im Frühtau zu Berge Fr. Zimmer

MGV "EINTRACHT 1873" Hillscheid
Vorsitzender: Alois Demar Chorleiter: Winfried Hildebrand
45 Sänger

a) Am adriatischen Meer Gotavack
b) Es wollt ein Jägerlein jagen Rein

MGV "Elslein von Kaub"
Vorsitzender: Alois Hammer Chorleiter: Karl Deurer
40 Sänger

a) Der Tambour Rein
b) Die Katz´ die läßt das Mausen nicht K. Lissmann

MGV "Gute Hoffnung" Fachbach
Vorsitzender: Johann Burkhard Chorleiter: Dr. Collignon
60 Sänger

Lieder nach Angabe

MGV "1863 Oberlahnstein"
Vorsitzender: Geis Chorleiter: Herbert Wolf
60 Sänger

a) Priesterchor aus Zauberflöte Mozart
b) Mein Dorf Nelius

MGV "GLÜCK AUF" Bad Ems
Vorsitzender: Julius Glas Chorleiter. Peter Klein
60 Sänger

a) Bergmannseinfahrt Baumann
b) Das Glöcklein P. Zoll

MGV "Marienfels"
Vorsitzender: Karl Schmidt Chorleiter: A. Schild
50 Sänger

Lieder nach Angabe
 

MGV "Liederkranz" Bogel
Vorsitzender: Kurt Horbach Chorleiter: Karl Deurer
50 Sänger

a) Das Glöckchen Zoll
b) Die Post Wolfers

Nachdem im November 1961 der Vorsitzender Wilhelm Kaiser sein Amt niedergelegt hatte, wurde der junge Josef Egenolf zum 1. Vorsitzenden gewählt. Mit einem gleichzeitig verjüngtem Vorstand gelang es, die Jugend weiter für den Chrogesang zu begeistern. Zum 90jährigen Bestehen des MGV Eintracht ergänzte dann Josef Egenolf 1986 in der Festschrift zu diesem Jubelfest die Vereinschronik.

Zusammen mit dem Sportverein wurde manches Fest - besonders Fastnacht und Kirmes - gefeiert. Man bemühte sich sehr darum, auch durch gesellige Veranstaltungen und Vereinsreisen den Chor zusammenzuhalten.

Auf der Jahreshauptversammlung 1970 wählten die Vereinsmitglíeder dann den Sänger Arthur - gerufen Alfred - Christ zum Vorsitzenden. Ihm und seinem Vorstand war die Aufgabe gestellt, das Jubiläum und die damit verbundenen Veranstaltungen zum 75jährigen Bestehen vorzubereiten.

Noch im Jahr 1970 wurde auf vielfachen Wunsch und durch die Mithilfe einiger Sänger ein Kinderchor gegründet. Chorleiterin des Kinderchores wurde Frau Ninette Spriestersbach, die damals noch im Ort wohnte.

Ihr und einigen anderen, die sich sehr dafür einsetzten, ist es zu verdanken, daß die Kinder viele erfolgreiche Auftritte hatten und dem Verein halfen, seinen guten Namen zu erhalten.

Am 5. 6. und 7. Juni 1971 wurde im großen Festzelt auf dem Sportplatz mit vielen Gästen das 75jährige Bestehen des "MGV EINTRACHT" Friedrichssegen gefeiert. Zu diesen Jubelfeste gratulierten damals 24 befreundete Chöre mit ihrem Gesang. Dieses Fest gab dem Vereinsleben weiteren Auftrieb. Im Mai 1972 legte

dann der 1. Vorsitzende sein Amt aus privaten Gründen nieder, und man wählte nach anfänglichen Schwierigkeiten wieder Josef Egenolf zum Vereinsvorsitzenden. Im gleichen Jahre besuchte der Chor die Stadt Vence in Frankreich und sang bei verschiedenen Anlässen in der Partnerstadt von Lahnstein. Die Reise war ein besonderes Erlebnis für alle Teilnehmer.

Weiter bemühte man sich, den inzwischen etwas kleiner gewordenen, Männerchor zusammen zuhalten. Hierfür setzten sich besonders die älteren Sangesbrüder ein; sie gingen überall mit gutem Beispiel voran!

Im Januar 1974 wurde auf Vorschlag der Sänger Herr Josef Herber zum Ehrenvorsitzenden des Vereins ernannt, ein Sänger, der über 50 Jahre im Chor aktiv war und lange Jahre dem Vorstand angehörte.

Für den Mai 1974 wurde eine Reise nach Holzkirchen geplant. Man fuhr mit vielen Teilnehmern per Bahn nach Bayern und hatte beim Singen und anderen Veranstaltungen viel Freude.

Der Kinderchor, der infolge der Schulabgänger in den vergangenen Jahren etwas zurückgegangen war, konnte inzwischen wieder mit 40 jungen Sängerinnen und Sängern auftreten. Diese erfreuliche Entwicklung war in der Hauptsache das Verdienst der Betreuer, die in Zusammenarbeit mit dem Vorstand immer wieder versuchten, durch besonders attraktive Veranstaltungen und Reisen den Kindern die Lust am Chorsingen zu erhalten.

Im Herbst 1975 unternahm man auf vielseitigen Wunsch eine Vereinsreise nach St. Anton am Arlberg. Auch sie wurde mit der Bahn durchgeführt und war ein Erfolg. In der Jahreshauptversammlung am 20. März 1976 wurde beschlossen, den MGV Eintracht ins Vereinsregister eintragen zu lassen. Der Antrag wurde beim Amtsgericht Koblenz gestellt und angenommen. Ebenfalls wurde beschlossen, ein Fest zum 80. Geburtstag des Vereins zu feiern. Für die Zeit vom 3. bis 5. Juli 1975 wurde auf dem Sportplatz ein Festzelt aufgestellt. Das Kirmeswochenende war ein geeigneter Termin für ein Sängerfest, bei dem eine bayrische Blaskapelle aus Holzkirchen zum Tanz und Unterhaltung spielte. Zwölf befreundete Chöre kamen und gratulierten mit Chorvorträgen. Die Veranstaltungen fanden großen Anklang bei der Bevölkerung.

Kurz nach dem 80. Geburtstag des MGV Eintracht verstarb der Ehrenvorsitzende Josef Herber. Im September 1976 war der "Lambriakoor" aus Veldhoven bei uns zu Gast. Ein Kirchenkonzert in der Evangelischen Kirche fand leider nicht den Zuspruch der Bürger. Im November wurde eine weitere Vereinsreise nach Salbach unternommen. 1977 besuchten wir in der Zeit vom 2. bis 4. April den "Lambriakoor" in Veldhofen. Durch gegenseitige Besuche einzelner Vereinsmitglieder aus Friedrichssegen und Veldhoven wurde die Freundschaft weiter gefestigt.

Das Vereinsleben gestaltete sich im Jahre 1977 ziemlich schwierig. Durch Umbauten im Vereinslokal war die Möglichkeit eines Chorauftrittes nicht mehr gegeben.

Der "Lambriakoor" machte uns im April einen Gegenbesuch. Das gemeinsame Chorkonzert mußte im Pfarrzentrum Lahnstein stattfinden, da zu dieser Zeit in Friedrichssegen kein passender Raum zur Verfügung stand. 1978 löste Herr Kern aus Lahnstein Frau Spriestersbach in der musikalischen Leitung des Kinderchores ab. Unser Dirigent, Herr Deurer, kündigte aus Altersgründen seinen Abschied an. Durch Vermittlung des Sängerbundes bekam der Verein Kontakt mit Herrn Rolf Löhr aus Neuwied. Nachdem am 15. September 1978 eine Verständnisprobe stattgefunden hatte, wurde Herr Löhr als Chorleiter eingestellt. Nach einigen Wochen übernahm er auch den Kinderchor. Am 9. Dezember 1978 wurde Herr Deurer in Rahmen einer Feierstunde in der Stadthalle Lahnstein offiziell verabschiedet.

Bei einer Weihnachtsveranstaltung im katholischen Pfarrheim in Friedrichssegen wurde von einigen Frauen der Wunsch gehäußert, einen Frauenchor zu gründen. Nachdem der Vorstand und der Chorleiter am 3. Januar 1979 darüber beraten hatten, trafen sich zwei Wochen später 40 Frauen mit dem Vorstand. Bei diesem Treffen wurde der Termin für die erste Probe auf den 19. 1. 1979 festgelegt. In der Jahreshauptversammlung am 31. März 1979 stimmten die Vereinsmitglieder der Gründung des Frauenchores zu. Außerdem wurde eine Vereinsfahrt nach Fischen im Allgäu beschlossen.

Ein besonderer Höhepunkt im Jahre 1979 war am 1. Juli ein Auftritt, zusammen mit anderen Chören, auf der Bundesgartenschau in Bonn. 1980 entwickelte sich der Frauenchor zu einer leistungsfähigen Gruppe, die schon im März das Landessingen in Miehlen mit der Note "gut" bestand. Der Männerchor nahm im April in Plotersdorf an einem Wertungssingen teil und erzielte ebenfalls die Note "gut".

Am 19. September 1980 wirkten der Frauenchor und der Männerchor bei der Einweihung der Gemeindehalle in Frücht mit. Die Mehrzweckhalle in Friedrichssegen wurde am 29. Januar 1981 feierlich eingeweiht. Die Feierstunde wurde von den drei Vereinschören mitgestaltet.

Beim Bau der Halle wurde nicht nur an den Sport gedacht, sondern auch an eine kulturelle Nutzung. Der MGV dankt allen, die sich für die Mehrzweckhalle in dieser Form eingesetzt haben.

Die Fastnachtsveranstaltungen wurden vom Gesangverein und Sportverein geplant und in den neuen Räumen durchgeführt. Das Konzert des "Lambriakoors" zusammen mit den Vereinschören war ein großer Erfolg. Im Oktober 1981 waren die Delegierten des Sängerkreises in Friedrichssegen zu Gast.

1982 mußte man trotz der günstigen Umstände feststellen, daß die gewünschte Aufwärtsentwicklung im Vereinsleben weitgehend ausblieb. Bei kulturellen und geselligen Veranstaltungen war der Besuch der Bürger sehr schwach. Im Jahr 1982 zeigte sich, wie schnell die "Eintracht" gefährdet sein kann. Erst in der dritten Jahreshauptversammlung wurde ein neuer Vorstand gewählt.

Im März 1983 trennten sich die Chöre des "MGV Eintracht" von Herrn Rolf Löhr. Schon zwei Wochen später konnte Herr Andreas Wies aus Staudt/Ww als Dirigent verpflichtet werden. Nach Beendigung seiner Ausbildung als Chorleiter und Organist wurde Herr Wies als Chorleiter eingestellt. Er übernahm alle drei Chöre des Vereins, wobei sein besonderes Interesse dem Kinderchor galt. Da aber die Zahl der jungen Sänger und Sängerinnen immer weiter zurückging, mußte die Chortätigkeit des Kinderchores eingestellt werden. An dieser Tatsache konnten auch heftige Diskussionen im Vorstand nichts mehr ändern. Einem Neuanfang steht jedoch bei ausreichender Sängerzahl nichts im Wege.

Die herausragende Veranstaltung 1984 war, nebst Fastnacht und Kirmes, das von Sport- und Gesangverein durchgeführte Fest zugunsten behinderter Kinder, das sehr gut besucht wurde.

Im Jahr 1985 wurde am letzten Maiwochenende eine Reise nach Timmendorf an der Ostsee durchgeführt. Besonders beeindruckend war der Auftritt des Männerchores in Laboe. In der folgenden Zeit widmete sich der MGV ganz den Vorbeitungen für das Fest des 90jährigen Bestehens.

Auch der ältere Männergesangverein "Glückauf" nahm seine Tradition wieder auf. Weiter wurde ein gemischter Chor gegründet. Das Vereinsleben erleichterte vielen Menschen die arbeitslosen Zeitenbesser zu überstehen.

Der "Erzverein Wissen" nimmt 1926 die Aufbereitung der Halden wieder auf und baute eine neue elektro-magnetische Aufbereitungsanlage mit Werk-stätten genau auf der Stelle, an der schon 1880 die Aufbereitung III in Betrieb war. Initiator war Herr Multhaupt - Haus Jungfried -.

Die Firma wird unter:

Gewerkschaft Erzverein
Elektromagnetische Erzaufbereitung in
Friedrichssegen a. d. Lahn

Blei und Zinkerze / Beton- und Gartenkies / Feinspat

betrieben.

Der Verwaltungssitz war Düsseldorf, Steinstraße 13. Aus einer Pressemeldung entnehmen wir am 4. August 1926:
Friedrichssegen, Grubenhalde.

Die Arbeiten an der Errichtung der Aufbereitung schreiten vorwärts, so daß wohl im Lauf der nächsten Wochen der Betrieb aufgenommen werden kann. Nach oberflächlicher Schätzung sind die blei- und zinkhaltigen Haldenbestände so groß, daß ihre Verarbeitung bei vorgesehenem Betrieb ungefähr 20 Jahre in Anspruch nehmen wird.
(Rheinisch-Nassauische Tageszeitung)

Es wurden produziert: 1926 = 235 to,

1927 = 347 to,

und dann noch im Jahr 1928 = 5 to, Zinkerz.

Der Betrieb wurde 1928 leider schon wieder eingestellt. Die Betriebgebäude wurden wieder beseitigt. An dieser Stelle sei auch noch erwähnt, daß in den Jahren zwischen 1920 und 1945 in Friedrichssegen neben der Firma Baer und dem Tonwerk noch folgende Unternehmen bekannt waren:

Maschinen Fabrik Friedrichssegen,
von 1921 bis 1927
Geldschrankwerke Friedrichssegen GmbH,
von 1922 - 1928

Textilverwertung Friedrichssegen GmbH,
von 1922 - 1928
Folkwange-Auriga-Verlag Friedrichssegen
von 1928 bis 1937.

Bei der Maschinenfabrik und dem Geldschrankwerk, war ein Herr Ing. Mentgen aus Friedrichssegen Anteilseigner. Die Textielverwertung wurde von der Firma Emil Baer dominiert und der Folkwange-Auriga-Verlag war im Haus Jungfried beheimatet. Herr Paul Multhaupt hatte diesen Verlag mit gegründet. Übrigens: Herr Multhaupt war ein im Ruhrgebiet sehr bekannter Kunstmäzen und Förderer des Essener Folkwange-Museums.

Nach 1945 waren vorübergehend die Ruberoid-Werke aus Hamburg (auf dem Ahlerhof) und eine Firma Baustoff-Vertrieb, Ernst Bormann (auf dem Tonwerk), Firma Autoelektrik Alfred Benedello (in der Auto-Garage), Firma Ernst Wagner (Müllbeseitigungsbetrieb auf dem Ahler Hof), hier angesiedelt.

Gastwirte in Ahl: Höhn, Wirges, Meschede, Pollesche, Kutschmann, Münch, Ferdinand, Lautz und Wolf. Hermes, Seel, Mösch und Wagner Ahler Hof, Auf dem Tagschacht Gustav Arnold, Wilhelm Arnold, Höfert, Kapitain, Karl Güll und Gustav Barth. Linnscheid am Moritzstollen - Neue Welt -, Friesing, Biebricher Hof, Schard, Zieten, Kremer und Güll Kasino "Glück Auf", Kölsch - Loch

Es waren die folgenden Lebensmittelgeschäfte hier ansässig:

Lebensmittel Güll, Neue Kaserne, Lebensmittel und Brennstoffhandlung Becker, Ahl, Milchhandlung Thielen, Neue Welt, Milchhandlung Barth, Tagschacht, Lebensmittel Reifferscheid, Tagschacht und Ahl, Lebensmittel Kutschmann, Ahl, Lebensmittel Förster, Ahl, Lebensmittel Mayer, Ahl, Lebensmittel, Gemüse und Kohlenhandhandlung Werner Herbel, Ahl, und Preismann in den Behelfsheimen (gegenüber dem heutigen Kinderspielplatz unterhalb des Sportplatzes).

Dazu waren für einige Zeit die Getränkevertriebe Wolf und Reichhardt tätig.

Darüber hinaus wurden und werden die Friedrichssegener von zahlreichen fahrenden Händlern beliefert:

Lebensmittel und Gemüse Bourmer, Oberlahnstein, Lebensmittel und Gemüse Fischenich, Oberlahnstein, Lebensmittel und Gemüse Eimut, Oberlahnstein, Lebensmittel und Gemüse Krohmann,Oberlahnstein, Lebensmittel und Gemüse, Hermann Bach, Friedrichssegen (Tonwerk), Lebensmittel, Gemüse und Fisch, Korn, Becheln, Lebensmittel Kessler, Oberlahnstein, Lebensmittel Metz, Frücht (Brot der Bäckerei Minor, Becheln) Bäckerei Minor, Löwenstein und Christian, Becheln, Metzgerei Kohl, Bandlow und Klein Becheln, Metzgerei Esch, Frücht, Metzgerei Flach, Niederlahnstein, Bäckerei Frank, Steinmetz und Pfaff, Oberlahnstein, Bäckerei Sabel, Miellen, Bäckerei Waldorf Nievern, Hinzu kamen noch 3 fahrende Händler nur bekannt unter "die Koblenzer Frau" und ein Herr Boos aus einem Dorf auf der Höhe von St. Goar, bekannt unter "der Hunsrücker Mann".

Nach dem 2. Weltkireg auch Frau Schick aus Oberlahnstein und Herr Reichert aus Niederlahnstein. Die vorgenannten Händler brachten Nähuten- tensilien, Wolle, Haarspangen, aber auch auf Bestellung Kleider und Wäsche.

Daß auch andere, als die beschriebenen Elemente "auf dem Tagschacht" angesiedelt waren, zeigt das weitere Geschehen in diesem Ortsteil Friedrichssegens.

Da waren nämlich im Jahre 1930 einige sportbegeisterte Männer, die einen Sportverein gründen wollten. Dazu brauchten sie aber zunächst einen Sportplatz. Dieser Sportplatz konnte durch die Großzügigkeit des damals größten, privaten Grundbesitzers, des Herrn Multhaupt, schnell in Angriff genommen werden.

Hierfür war das Plateau vor dem ehemaligen Hauptmaschinenschacht von Herrn Multhaupt zur Verfügung gestellt worden. Das Gelände dieses Sportplatzes, sollte unter Mithilfe von Herrn Multhaupt dem noch zu gründenten Sportverein geschenkt werden, in dem entsprechendes Land aus dem Besitze des Herrn Multhaupt gegen das Gelände des Sportplatzes getauscht werden sollte.

Dazu kam es leider nicht mehr, da Herr Multhaupt aus dem Leben schied. Die Männer begannen in Eigenleistung mit dem Herrichten und Bau des Sportplatzes. Mit welchem Mut, Tatkraft und auch Opferbereitschaft die kleine Schar eine solche gewaltige Aufgabe bewältigte beweist die Tatsache, daß pro Stunde Eigenleistung nur ein Pfennig Lohn gezahlt werden konnte. Die durchschnittliche Eigenleistung betrug 1 200 Stunden.

Als der Platz seiner Einweihung entgegensah, stifteten diese Sportkameraden ihren Stundenlohn von 1 Pfennig dem Verein zur Ausgestaltung der Einweihungsfeier. Die sportbegeisterten Männer schleppten beispielsweise schwere Kipploren und Feldbahngleise auf ihren Rücken von der Firma Baer im Ortseil Ahl, drei Kilometer bergauf (Höhenunterschied 160 m) zum Tagschacht. Wäre das heute noch möglich ?

Dieser Sportplatz wurde 1931 fertiggestellt, Man gründete den Sportverein "Rot-Weiß Friedrichssegen". 1. Vorsitzende wurde Julius Unterberger. Es begann der Spielbetrieb. Das erste Spiel wurde von den Alte-Herren-Mannschaften von Oberlahnstein und Dausenau bestritten. Die neue gegründete Mannschaft des SV Rot - Weiß Friedrichssegen eröffnete den Spielbetrieb gegen die Mannschaft des SV Kesselheim. Von diesem Verein ist zu sagen, daß bis heute freundschaftliche Beziehungen erhalten sind.

Die Mannschaft des SV - Rot Weiß Friedrichssegen spielte in den Jahren von 1933 bis 1939 in der Kreisklasse Koblenz und errang zweimal die Kreismeisterschaft. 1933 übernahm Heinrich Christ die Geschicke des Vereins. Als Mannschaftbetreuer wurde Edmund Unterberger gewählt. 1935 hatte der Sportverein den heute in der obersten Amateurliga spielenden Verein Saar 05 Saarbrücken in Friedrichssegen zu Gast. Ein Jahr später war es der heutige Bundesligist Bayer Leverkusen der bei uns zu Gast war. Darüber hinaus waren immer wieder befreundete Vereine zu Gast in Friedrichssegen, die heute namhafte Mannschaften haben.

Auch in der Leichtathletik wurden recht gute Leistungen erbracht. So errang Sportkamerad Adolf Wagner, der noch einer der Mitbegründer war, zweimal den Titel eines Gaumeisters im 5 000 m Waldlauf. Der 1939 ausgebrochene Weltkrieg brachte den Spielbetrieb zum Erliegen. Viele Sportkameraden überlebten diesen unmenschlichen Kampf nicht und viele kamen mit verstümmelten Gliedern aus diesem Krieg zurück. All denen wollen wir auch in der Zukunft unsere Verbundheit erhalten. Erst im Jahre 1957 war es wieder so weit. Einige Freundschaftsspiele brachten den Sportbetrieb wieder ins Rollen und die Idee den alten Verein wieder aufleben zu lassen. Als Vereinsfarben wurden Schwarz-Weiß gewählt.

Sportkamerad Heinz Kreuzer wurde zum 1. Vorsitzenden gewählt. Die II. Mannschaft erkämpfte im Spieljahr 1958/59 den Kreispokal. Ein Jahr später verlor sie im Endspiel den begehrten Pokal.

Seit dem Jahre 1959 bis zum Jahre 1979 führte Helmuth Christ die Vereinsgeschäfte als 1. Vorsitzender.

Unter seiner Führung wurde der neue Sportplatz in das Zentrum der Gemeinde verlegt, damit die Schuljugend und die Jugend des Vereins sich dort im sportlichen Wettkampf messen können. Auf diesem neuen Sportplatz wurde in der hinter uns liegenden Zeit schon viele Spiele bestritten. Eine Neu-festsetzung der Größe der Sportplätze ergab, daß unser Sportglände zu klein war und der Platz erweitert werden mußte. Heute ist der Platz für die A-Klasse, bespielbar.

Hier muß an die Selbsthilfe der Gründer des Vereins gedacht werden. Auch unsere Spieler und Mitglieder erstellten in eigner Arbeit eine Flutlichtanlage, einen Zaun auf der Straßenseite sowie ein Gerätehaus für den Platzwart. All den Mitarbeitern, besonders dem Platzwart sei an dieser Stelle Dank zu sagen, verbunden mit der Hoffnung, daß der jetzt in gutem Zustand befindliche Platz auch in Zukunft so erhalten bleibt.

Unter der Leitung des 1. Vorsitzenden beantragte dann der SV bei der Stadt Lahnstein den Bau einer Turnhalle. Der Saal des Vereinslokals stand nicht mehr zur Verfügung.

Der Männergesangverein unterstützte diesen Antrag, da auch das Wohl und Weh des MGV von dem Bau dieser Halle abhing. Wir freuen uns, gerade im 50. Jahr unseres Bestehens, während unserer Sportwoche, unseren Gästen und Bürgern aus Friedrichssegen diese moderne Halle zeigen zu können.

Für den Bau dieser Halle haben sich unsere Stadträte, die Stadträte Arthur Christ (SPD) und Hermann Steltner (CDU) sehr eingesetzt. Dafür ein herzliches Danke.

1979 übernahm Arthur Christ als 1. Vorsitzender die Geschicke des Vereins. Unter seinem Wirken wurde der SV Schwarz - Weiß Friedrichssegen eingetragener Verein.

Wir wollen auch am 50. Geburtstag an unseren Sport- und Spielbetrieb denken. Als erstes sei der Aufstieg unserer Mannschaft in die A-Klasse des Sportkreises Rhein-Lahn aufzuzeigen. Auch um den Verbleib gab es in jedem Spieljahr harte Kämpfe, denn die A-Klasse ist eine fast gleichmäßig starke Gruppe. Unsere Mannschaft hat es mit ihrem Trainer geschaft, in dieser Klasse zu bleiben. Die II. Mannschaft hat Höhen und Tiefen durchwandert und als ob es sein sollte, nahmen sie im 50. Jahr des Bestehens unseres Vereins Schwarz - Weiß den dritten Platz ein.

In den DFB Pokalspielen wurde des öfteren erst gegen Bezirksligisten ausgeschieden. So erkämpfte im Jahr 1978 unsere I. Mannschaft in einem Pokalspiel gegen die I. Mannschaft der Spielgemeinschaft Eisbachtal eine ehrenhaftes 2:3. Auch in diesem Jahr wurden wir zweiter Kreispokalsieger und müssen nun in der Bezirksklasse versuchen weiterzukommen.

Der Breitensport erhielt durch die neue Halle regen Aufschwung. Frauen und Männer benutzen sie zum Turnen um gesund und fit zu bleiben. Zum Abschluß möchte ich zunächst die Sportkameraden vorstellen, die in den 50 Jahren mehr als nur ihre Freizeit für die Geschicke des Vereins geopfert haben:

von 1931 bis 1933 Julius Unterberger
von 1933 bis 1939 Heinrich Christ
Nach Wiedergründung des Vereins
von 1957 bis 1959 Heinz Kreuzer
von 1959 bis 1979 Helmuth Christ
von 1979 bis 1983 Artur Christ.
von 1983 bis 1989 Hermann Zenz
von 1989 bis 1997 Harry Grieser.
von 1997 Hermann Zenz

Nach diesen 50 Jahren ist zu sagen, daß der Verein eine große Tradition hat. Es ist allen Sportkameraden zu danken, die als Spieler, Vorstandsmitglieder oder Schiedsrichter dazu beigetragen haben.

Die Arbeitslosigkeit wurde allgemein. Daß dies keine übertriebene Feststellung des Chronisten ist, geht aus einer Tabelle, die der Friedrichssegener Lehrer Hugo Heep erstellte hervor. (Original-Tabelle ist im Buch enthalten!)

Mehr braucht man eigentlich angesichts dieser Zahlen zur Situation im ehemaligen vollbeschäftigten Bergbaudorf Friedrichssegen nicht zu sagen. Das taten zu Anfang des Jahres 1932 deutsche Zeitungen mit dem Thema Tagschacht und Kölsch Loch, der ehemaligen Grube Friedrichssegen.

Es waren dies:
am 17. Februar 1932 die Frankfurter Zeitung

"Das Tal der Verbannten",
am 16./17, April 1932 das "Kölner Tageblatt"

"Ein Dorf verschimmelt" und
im April 1932 in der "Allgemeinen Illustrieten Zeitung, Berlin"
ebenfalls mit dem Titel "Das Tal der Verbannten."

Nachstehend ist der Wortlaut dieser Artikel wiedergegeben.
Aus der Frankfurter Zeitung:

Das Tal der Verbannten

Kl. Am Zusammenfluß von Rhein und Lahn weitet sich das Tal ein wenig und gibt zwei kleinen Städten zu beiden Seiten der Lahnmündung - Ober- und Niederlahnstein - größeren Raum, als sonst zwischen Aßmannshausen, Bacharach und St. Goarshausen zu finden ist. Sogleich hat sich eine im Verhältnis zur Einwohnerzahl beträchtliche Industrie eingefunden, die den Orten ein merkwürdig disharmonisches Gepräge gibt. Es riecht zugleich nach Fremdenverkehr und Fabrikarbeit, aber beides will nicht recht zueinander passen. Da ist ein ganz modernes Postamt, ein eigenes Haus für die Reichsbank und dazwischen plötzlich eine vieltürmige Kirche, die eine Burg für sich ist und an die Pfalz bei Caub erinnert. Mit den freundlichen Gasthäusern des Rheintals wechselt Fabrikgelände ab; und wenn man an einem Werktagsmorgen um 10 Uhr da vorbeikommt, ist eines so still wie das andere. Auf den Bürgersteigen stehen gruppenweise Menschen in Arbeitskleidung und schauen gelangweilt, neugierig oder mißmutig auf Straße und Vorübergehende.

Eine - zwei - drei - vier Gruppen - das können doch nicht alles Arbeitslose sein? Eine Nachfrage ergibt: es sind wirklich alles Arbeitslose. Der größere Teil der Industrie liegt still. Burg Lahneck und Schloß Stolzenfels, Symbole fröhlicher und sorgloser Romantik sehen von beiden Seiten des Rheines herab auf die Not von Ober- und Niederlahnstein.*

Sechs Kilometer Lahnaufwärts aber beginnt das e i g e n t l i c h e Elend und eine Art von V e r b a n n t s e i n, wie man es in Deutschland nicht vermuten sollte. Da zieht sich, 50 Minuten bis eine Stunde lang, von der Bahn aus ein Tal in die Höhe, das nur zur einen Hälfte Natur, zur anderen Hälfte einfach die Ruine eines toten Bleibergwerks ist. Dies Tal ist zugleich auch eine Ortschaft aus vier dürftigen Häusergruppen, und heißt F r i e d r i c h s s e g e n.

Kommunalpolitisch gehört es zu Oberlahnstein. Unten an der Bahn fängt es mit dem Ortsteil "Ahl" nicht einmal unfreundlich an: zehn Minuten weiter trifft man auf eine alte Arbeitersiedlung mit wenigen Häusern, die "Neue Welt", in der es schon ziemlich traurig aussieht. Denn die Häuser sind schlecht, und von den rund 270 Menschen, die bis hier herauf wohnen, hat noch nicht einmal die Hälfte aller Erwerbsfähigen auch nur vorübergehend Arbeit. Immerhin, es ist nur ein Vorspiel für das, was danach kommt. *

Hinter der "Neuen Welt" rücken die Hänge mehr und mehr zusammen; es ist, als ob die Straße durch einen Engpaß führe, der nicht ein Fleckchen für eine grüne Wiese mehr übrig läßt oder für ein Stückchen Boden, auf dem man vielleicht ein paar Kartoffeln, Kohl oder Salat ziehen könnte. Wo einmal einige Meter Raum neben der Straße bleiben, steht mit Gewißheit die bis auf die Grundmauern abgetragene Ruine einer alten Bergwerksanlage.

Die Talhänge sind übersät, zeitweise bis zum Kamm bedeckt mit den Schutthalden, die eine jahrzehntelange Erzgewinnung (die nun seit 20 Jahren ihr Ende gefunden hat) dort zurück ließ. Nicht, als ob die Natur gleich völlig ausgerottet sei; das frühere Unternehmen scheint ungefähr halbpart mit ihr gemacht zu haben: eine Hälfte Wald, eine Hälfte Bleischutt. Für Fremde ist es recht interessant und trostlos, nur für den, der da wohnen soll, zumal wenn der Regen dazukommt.

Ganz am Ende des Tales liegen dann dicht beieinander die beiden letzen Kolonien: "Kölsch Loch" und "Tagschacht". Hier wohnen zusammen nochmals 355 Menschen. Sie leben so, wie die Bauern in den allerfernsten Eifeldörfern. Nur mit dem Unterschied, daß jene Bauern eben leben und leben können, weil sie ihre Felder bearbeiten und ein wenig voranzukommen suchen, während hier von 355Einwohnern und 123 Erwerbsfähigen 8 (sage und schreibe: acht!!) noch Arbeit haben. Die meisten leben seit langem nur noch von Wohlfahrtsunterstützung, in den schlimmsten Fällen schon seit 5, seit 6 und 7 Jahren. Was sie tun, ist ungewiß. Fragen über den Verlauf ihres Tages beantworten sie mit Achselzucken oder der verlegenen Auskunft: "Ich bin doch arbeitslos". Etwas anderes, an das sie sich sogleich erinnern könnten, fällt ihnen als Inhalt ihres Lebens nicht ein. Sicher ist freilich, daß sie Kinder über Kinder in die Welt setzen, ohne Rücksicht darauf, ob das ihre Lage noch elender macht. Sicher ist, daß sie miteinander streiten und es als Abwechslung empfinden, sich gegenseitig zu denunzieren. Bekommt etwa einer durch einen Glückszufall Gelegenheit, heimlich ein paar Groschen zu verdienen, rennt sein Nachbar gleich los und zeigt ihn an, damit ihm die Unterstützung gekürzt oder gesperrt werde.*

Wenn das Leben so von allen Seiten bis an die Grenze der Existenzmöglichkeit eingeengt wird, bleibt vielen doch noch eins: die W o h n u n g. Die Mieten, die uns im "Kölsch Loch" und "Tagschacht" genannt wurden, schwanken zwischen 2,30 und 7,50 Mark im Monat. Man kann also für ein Butterbrot wohnen, und die Häuser sind auch danach. Allesamt frühere Grubengebäude. Arbeitersiedlungen oder Büros oder Kasinos, die man für Wohnzwecke zur Verfügung stellte. Die standen den ganzen Krieg hindurch leer, wurden dann notdürftig repariert und seitdem scheint man so gut wie nichts mehr für sie getan zu haben. Da gibt es Häuser, die stinken vor Feuchtigkeit so, daß gleich der unterste Stock unbewohnbar ist.

In anderen läuft wenigstens der Keller voll Wasser, sobald es kräftig regnet, und der Schwamm ist an den Wänden. Trockene Häuser gibt es kaum, denn keines ist gegen Erdfeuchtigkeit isoliert. In zweidunkle Löcher von Zimmern hat man 8 Personen zusammengepfercht. Der Vater ist lungenkrank - Tuberkulose -. "Ich weiß nichts.

Der Arzt sagt mir nichts". Auf alle Fälle schläft er im selben Bett mit der Frau und unmittelbar im Bett daneben zwei seiner Kinder. Andere haben wieder halbe Säle; dann sind z.B. neben der Feuchtigkeit Löcher in den Decken, die Fenster schließen nicht oder die Fußböden sind morsch.

Soll man etwa noch erwähnen, daß Öfen und Herde einen "provisorischen" Eindruck machen, kurz, daß alles an jene Kriegszeiten erinnert, in denen man sich in zerstörten oder verlassenen Häusern für einige Zeit einrichtete?

Es sind nicht die Einzelheiten - alles zusammen ist es, was so fürchterlich anmutet. *

Eine Folge der Wirtschaftskriese? Ja und nein. Daß das Unglück so groß würde, hat man sicherlich weder gewollt noch vorausgesehen; aber die B e h ö r d e hat das ganze doch erst geschaffen. 1913 ging die Grube in Konkurs. "Kölch Loch" und "Tagschacht" wurden geräumt, übrigens das einzig Mögliche, denn ohne die Grube gibt es da oben keine dauernde Existenzmöglichkeit für Menschen, die von ihrer Arbeit leben müssen. 1919 wurde dies alle für 80 000 Papiermark verramscht, einschließlich der Schule, einschließlich der Kirche. Was beweglich war, wurde verschrottet, abgeholt, weggeschafft. Als nichts mehr übrig war, schaffte man wieder Menschen hinauf, und diesmal z w a n g s w e i s e.

Oberlahnstein, dem es ja selbst nicht gut geht, schob vor allem aus Wohnungen Exmittierte, daneben ein paar ausgewiesene (Flüchtlinge) nach Friedrichssegen ab. Einige kamen in früheren Jahren auch freiwillig, aus Not und weil man ihnen gut zuredete. Sie hatten es sich anders gedacht. Die "Zwangsweisen" haben jedenfalls die Dreiviertel-Majorität: 59 von 82 Familien wurden unter Beachtung aller Formalitäten einer korrekten Zivilisation dorthin "verbannt".

Als sie kamen, hatten noch viele von ihnen "unten" Arbeit. Dann ging ein Arbeitsplatz nach dem anderen verloren, und für die meisten ist in absehbarer Zeit gar keine Chance mehr da. Wird wirklich ein Arbeitsplatz frei - sie mögen so rasch laufen, wie sie wollen: bis sie in Oberlahnstein sind, ist alles längst besetzt. Und selbst wenn sie rechtzeitig kämen - wer nimmt heute noch Leute von da oben? Der lange Weg, die langdauernde Arbeitslosigkeit, die es so unsicher macht, was sie noch leisten können, und schließlich das Unvermeidliche: der schlechter und schlechter werdende R u f dieses verfallenden Friedrichssegen, in das die Stadt ja gewiß auch nicht ihre besten Bürger schickte - so was nimmt ein Unternehmer nicht gern. Und dann die K i n d e r. Aus der Schule möglichst gleich in die nahe Ziegelei, die ab und zu ein paar Jugendliche aufnimmt: einige Jahre Sommerarbeit, dann kommen wieder andere, jüngere, billigere Kräfte dran. Danach kommt die Arbeitslosig- keit, wenn es gut geht, für ein paar Jahre und wenn es schlecht gehen sollte .....*

Die Unterstützungssätze sind jetzt vom 1. Februar ab gekürzt worden. Der Ledige hat hat es am besten: er bekommt 6,75 Mark die Woche; ein Mann mit Frau und sechs Kindern bringt es auf 17 Mark; das sind 30 Pfennig pro Kopf und Tag für Essen, Miete und Kleidung. Wenn man erst ein paar Jahre von Beträgen dieser Größenordnung gelebt hat, ist es die Natur selbst, die solches Dasein ertragen hilft, indem sie den Menschen stumpf macht. Und das ist ihre Tragödie. Man weiß nicht mehr, wie man anders als durch Almosen helfen kann, man weiß nicht, was man den Leuten an Arbeit zumuten könnte, und man weiß nicht einmal recht, ob nicht der oder jener gar Angst bekommen würde, wollte man ihn plötzlich in die Welt zurückbringen. So sind wenigsten die Alten. Wenn man sie nach ihren Nöten fragt, weisen sie beispielsweise auf den Fußboden: "Da ist ein Brett lose!" Das regt sie auf, und die Kürzung der Unterstützungen erbittert sie - weil eben beides neue ist. An das Schlimmste haben sie sich anscheinend gewöhnt. Man sagt, sie seien fast alle Kommunisten geworden. Aber dann sahen wir noch niemals so höfliche, so geduldige Kommunisten. Und viele Stuben voll Heiligenbildern. *

Die L e h r e r des Dorfes tun das Menschenmögliche, um zu helfen. Sie haben alte Kleider geholt, selbst von Berlin her. Sie veranstalten Kurse. Sie haben ein neues und gesundes Schulgebäude für die Kinder durchgesetzt. Sie haben nicht geruht, bis die kranken oder unterernährten Kinder zur Kur kamen, und sie haben fünf Jahre lang dafür gesorgt, daß im Winter für alle Kinder eine tägliche Schulspeisung eingerichtet wurde. Jetzt ist es aus damit; in diesem Jahr ist kein Geld für die Speisung da. Und damit darf es nicht sein Bewenden habe!

Wären normale Zeiten, so läge es auf der Hand, was zu tun wäre, die Menschen allesamt fortzubringen, was es auch kosten möge! Solche Wünsche würden heute bei der Stadt Oberlahnstein beim Kreis St. Goarshausen und bei der Regierung in Wiesbaden einfach dahin beantwortet werden: "Wir haben kein Geld". Aber für eins muß Geld dasein:

Dafür, daß das Elend wenigstens langsam abgebaut wird und daß man die Kinder nicht glattweg verkommen läßt!

Es ist doch phantastisch, daß Oberlahnstein dieses Friedrichssegen ständig von neuem auffüllt! Wird eine Wohnung frei, muß ein neuer heraus. Damit muß Schluß gemacht werden, ein für alle mal.

Und für die Kinder muß gesorgt werden, wenn die Stadt kein Geld hat, dann vom Kreis, von der Regierung oder schließlich von Preußen selbst.

Soviel Geld wie da nötig ist, wird sich irgenwo auftreiben lassen. Die Einzelheiten mag man bei den Lehrern erfragen; nur das Wichtigste soll vermerkt werden: erwerbsfähige junge Leute sollten grundsätzlich fortgebracht werden: in anständige Arbeit, in Lehrstellen, sei es wo es sei. Trotz der gewaltigen Arbeitslosigkeit - für E i n z e l n e kann man bei der Flukation auf dem Arbeitsmarkt immer noch Platz schaffen, wenn es eben sein muß - und wenn man will. Und es muß sein! Dafür aber, daß der Wille einen Ansporn erfahre, wurde dieser Bericht geschrieben.

Dieser Artickel erregte beträchtliches Aufsehen, zumal er in einer so angesehenen Zeitung erschienen war. Als günstiges Ergebnis sei hier verzeichnet, daß aus verschiedenen Orten des Reiches Kleider-, Wäsche-, Lebensmittel- und Geldsendungen bei den Lehrern unserer Schule eingingen, die zur Winterhilfe verwendet wurden.

Als unangenehme Folgen erschienen die nachfolgenden Artikel, ferner eine ganz nutzlose Auseinandersetzung unter "Eingesandt" in der Rheinisch-Nassauischen Tageszeitung, Oberlahnstein, über die Frage ist "Friedrichssegen das Tal der Verbannnten?".

Aus dem Kölner Tageblatt:

Schlimmer als in wilden Siedlungen
Ein Dorf verschimmelt

Friedrichssegen bei Oberlahnstein, die Station der Exmittierten, bildet eine Tuberkulose-Brutstätte allergrößten Stils
H. J. Oberlahnstein, 16. April

Ein paar Kilometer von Oberlahnstein entfernt liegt eines der amseligsten Dörfer Deutschlands, Friedrichssegen, ein Dorf, das schon einmal völlig verlassen war, als die Bleigrube Bankerot machte, in der die Bewohner des Dorfes Beschäftigung fanden. Beinahe 12 Jahre standen die Wohnungen leer, das Dorf war plötzlich ausgestorben, als sich keine Verdienstmöglichkeit mehr bot. Die Bewohner siedelten sich in anderen Gegenden des Rheinlandes an, denn die Umgebung von Friedrichssegen ist öde und unfruchtbar, und nichts für Menschen, die nach Arbeit suchen.

Bis die Nachkriegszeit eine beispiellose Wohnungsnot mitbrachte. Da erinnerte man sich plötzlich wieder dieser abgelegenen Siedlung, in der bereits Hasen und Füchse ihr Lager aufgeschlagen hatten und ein Vogelparadies entstanden war.

Vielleicht hatten die Besitzer der Bleigrube damit gerechnet, daß ihr Besitztum sich keines langen Bestehens erfreuen würde, vielleicht war ihnen aber auch an der Wohnlichkeit ihrer Arbeiter nicht allzuviel gelegen, denn was sie da errichtet hatten, das glich aufs Haar den aller primitivsten Mietskasernen, die um die Jahrhundertwende einmal modern gewesen waren und die man noch heute hie und da im Industriegebiet antrifft, wo sie mit den Zechenanlagen errichtet wurden, die heute zum großen Teil stilliegen.

Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich auszumalen, was aus diesen Mietskasernen geworden war, nachdem sie 12 Jahre leergestanden und nur den Tieren des Waldes und der Vogelwelt als Wohnung gedient hatten. Diese Wohnungen mußten dann plötzlich im Jahre 1923 wieder Menschen als Unterschlupf dienen. Die Gemeinde Oberlahnstein hatte sie für ein Butterbrot von den verkrachten Bleigrubenbesitzern erstanden und nun wurden hier Exmittierte untergebracht, die erwerbslos waren und kein Obdach hatten.

Notdürftig wurde wieder zusammengeflickt, was die Natur an diesen primitiven Wohnhöhlen zerstört hatte. In regulären Zeiten hätte die Baupolizei die Wohnungen natürlich für unbrauchbar erklärt, aber die Zeiten waren ja nicht normal, und man war froh, die Exmittierten für den Augenblick untergebracht zu haben. Sie wurden vertröstet. Bald würde man wohnliche Siedlungen errichten können, die Zeiten würden ja auch einmal besser werden.

Aber dieser Traum von besseren Zeiten erfüllte sich nicht. Die Zeiten wurden schlechter und schlechter, und heute ist gar kein Denken daran, daß ma die Exmittierten in bessere Häuser unterbringen kann. Die Gemeinde Oberlahnstein hat nicht einmal Geld, die Häuser so in Stand zu setzen, daß sie auch nur einigermaßen wohnlich erscheinen.

Wir haben in den Jahren nach dem Krieg und besonders in der Deflationszeit mancherlei Wohnungselend im Rheinland gesehen und beschrieben, aber wir müssen gestehen, daß dieses Dorf Friedrichsegen wirklich allem die Krone aufsetzt. Wir haben die größte wilde Siedlung in Deutschland auf dem Heinefeld in Düsseldorf besucht, die wirklich ein Kapitel für sich ist, wir überzeugten uns in der Kölner Altstadt, wo die Dächer noch mit Pappe gedeckt sind, wir besuchten Barackenstädte und Wagenburgen zwischen Köln und Dortmund, und schließlich die baufälligsten Hütten in der Eifel und auf dem Hochwald, wo sogar Menschen im Schweinestall hausten, aber so ungesund und unhygienisch wie in Friedrichssegen war das Wohnen nirgends und das will wirklich etwas heißen.

Dieser Mangel an Wohnhygiene ist vor allem darauf zurückzuführen, daß die früheren Besitzer der Bleigrube die Bauten nicht einmal isolierten, so daß sich die Feuchtigkeit der Erde ungehindert dem Gesamtbau mitteilen konnte. Dazu kommt noch, daß die Häuser zum Teil in einem engen Tal liegen, das an sich schon sehr viel Feuchtigkeit ausströmt, weil es von der Sonne nicht allzu stark bestrahlt wird und besonders in der kalten Jahreszeit von der Feuchtigkeit sehr stark mitgenommen wird. Schließlich hat sich die jetzige Besitzerin bisher sehr wenig um die Wohnlichkeit der Häuser gekümmert, sodaß in den meisten die Dächer sehr schadhaft sind und der Regen ungehindert durch die Stockwerke sickern kann. Die Folge davon ist, daß das Dorf regelrecht verschimmelt und vermodert. Die Bewohner können ihre Betten nicht an die Wände stellen, da sie sonst in ganz kurzer Zeit verfaulen würden. Die Kleider verschimmeln in den Kleiderschränken und das Bettzeug ist immer feucht. In einzelnen Wohnungen lassen sich die Wände hin und her bewegen und sie sind dabei ebenso feucht, daß man den nassen Kalk von den Zimmerwänden kratzen kann. Ziegelsteine lockern sich in den Mauern, und wenn man sie genauer betrachtet, dann sieht man, wie sie ebenfalls innerlich vermodert und verrottet sind. Die Decken sind stellenweise durchgeweicht und die Bewohner im ersten Stock müssen befürchten, daß ihre Mitbewohner im zweiten Stock durchfallen, da die Dielen bereits verfault sind.

Natürlich sind diese Häuser nicht mehr zu retten, hier hilft nur abreißen und neu aufbauen. Die Instanzen, die die Mittel für die großstädtischen Randsiedlungen vergeben, sollten das Dorf Friedrichssegen einmal besichtigen, sie würden keine Sekunde zögern und auch die Bewohner dieser Ortschaft in ihr Programm aufnehmen. Es ist völlig zwecklos, in irgendeiner schönen Gegend Deutschlands Lungenheilanstalten zu errichten und zu unterhalten, solange man das Übel nicht an der Wurzel faßt und derartige Tuberkelquellen, wie sie doch in Friedrichssegen zweifellos bestehen, mit Stumpf und Stiel ausrottet.

Was nützt aller Kampf gegen die Tuberkulose, was nützt es, daß man Tausende für Volksaufklärung hinauswirft, wenn man nicht die Mittel hat, derartige Wohnhöhlen unmöglich zu machen, wie sie in Friedrichssegen bestehen.?

Hier muß der gesündeste Mensch in kürzester Zeit schwindsüchtig werden, von diesen Ärmsten der Armen gar nicht zu reden, die zum Teil schon seit einem Jahrzehnt von der Erwerbslosenunterstützung leben.

Man muß sich wundern, daß ein Teil der Bewohner sich sogar noch abmüht, die Wohnhöhlen auch noch wohnlich zu gestalten, daß sie sich selbst daran geben, zu streichen, zu tapezieren und zu ölen, obwohl sie genau wissen, daß die Feuchtigkeit in ganz kurzer Zeit ihre Arbeit und Mühe wieder völlig zunichte macht. Es zeugt von einem unbeugsamen Lebenswillen, wenn diese Menschen noch soviel Schönheitssinn aufbringen. Die jetzige Besitzerin der Häuser hat dabei noch den Mut, diesen Menschen auch noch Miete für diese Wohnhöhlen abzufordern. Es wird für eine Wohnung zwischen 11 und 18 RM entrichtet, also eine Summe, wie sie Randsiedler bezahlen sollen, wenn ihre Häuschen fertig sind. Nur werden die Tuberkelbrutherde von Friedrichssegen keinen Vergleich aushalten können mit den geplanten Häuschen der Stadtrandsiedlungen.

Man kann es den Erwerbslosen in Friedrichssegen wirklich nicht verdenken, wenn sie sich zum Teil weigern, die Miete zu zahlen, da sie noch selbst für die Instandsetzung ihrer Wohnungen aufkommen müssen. Dabei ist die Angst vor rigorosen Maßnahmen durch die Behörden bei den Bewohnern von Friedrichssegen nur zu bezeichnend, denn verschiedene der erwerbslosen Exmittierten weigerten sich eben aus dieser Angst ostentativ, unserem Redaktionsmitglied den katastrophalen Zustand ihrer Wohnungen zu zeigen. Sie fürchteten die Scherereien, die man ihnen bereiten würde, wenn ihr Elend an die Öffentlichkeit käme.

Aus der "Allgemeinen illustrierten Zeitung", Berlin:

DAS TAL DER VERBANNTEN

Nahe dem Zusammenfluß von Rhein und Lahn, 4 Km von Oberlahnstein entfernt, liegt Friedrichssegen, das "Tal der Verbannten", wie es selbst ein bürgerliches Blatt nennt. Denn hier wurden "unter Beachtung aller Formalitäten einer korrekten Zivilisation" (Frkt.Ztg.) einige hundert Arbeitslose zwangsweise abgeschoben. Nur 8 von etwa 200 Arbeitsfähigen finden ab und zu Gelegenheitsarbeit. Die übrigen vegetieren von dem immer wieder gekürzten "Wohlfahrts"-Groschen in Wohnhöh-len, die von 1913 bis 1925 leerstanden und die, da sie nie renoviert wurden, vom Schwamm zerfressen sind.

Friedrichssegen war einmal ein armseliges Bergarbeiterdorf, die Bleihütte war die Existenz einiger hundert Bergarbeiterfamilien bis zum Jahre 1913, in dem das Bergwerk wegen Unrentablilität in Konkurs ging.

Die Hütten der Arbeiter wurden geräumt, die Verwaltungsgebäude der Zeche standen leer, und alles wurde dem Verfall überlassen. Da durch den früheren Bergbau keinerlei bebaubarer Boden mehr vorhanden war, gab es keine Existenzmöglichkeiten mehr, die ein Verbleiben der Bewohner gestattet hätten. Der Ort hat damals schon viel Elend gesehen - aber das Elend, das unser Fotograf vor wenigen Wochen da oben feststellen konnte, spottet jeder Beschreibung. Die Behörden haben hier an einigen hundert Arbeitslosenfamilien ein V e r b r e c h e n begangen, das man gar nicht laut genug anklagen kann. Das Kreiswohlfahrtsamt St. Goarshausen, die Wohlfahrtsämter der Städte Oberlahnstein und Koblenz haben nämlich z w a n g s w e i s e ihre wohnungslosen Arbeitslosen seit 1925 in den verfallenen und verfaulten Bergarbeiterhütten untergebracht - ja sogar noch die Stirn besessen, für die menschenunwürigen Wohnungen Miete zu verlangen. Eine Instandsetzung der Wohnungen fand nicht statt - es sieht fast so aus, als ob man glaubt so die der "Wohlfahrt" zur Last fallenden Menschen am leichtesten loszuwerden.

(Eine lebendige Illustration dessen, was man in der deutschen Republik, besonders im Zentrums- und SPD-Preußen, unter Wohlfahrt versteht.)

Friedrichssegen liegt in einem verlassenen Tal, kein Fremder kommt dahin, es gibt keinen Kaufladen, keine Kneipe, kein Kino, geschweige denn die nötigsten Kulturstätten - nur nacktes Elend, trostlose Vegetation - ein "auf dem wohnen" ohne Land. Der einzige Lichtblick - es dämmert unter diesen Ausgestoßenen der menschlichen Gesellschaft.

Aufrechte, klassenbewußte Kämpfer für die Sache der Unterdrückten halten die Verbindung mit den kämpfenden Massen des Proletariats aufrecht, und die Bewohner dieses republikanischen Friedrichs"segens" singen bei ihren kommunistischen Versammlungen trotzig das alte Kampflied: "Uns aus dem Elend zu erlösen, das können wir selber tun."

Uns aber muß die Tatsache, daß die preußischen wie die Reichswohlfahrtsbehörden gegen dieses Elend nicht machtlos sind, sondern, wie selbst die "Frankfurter Zeitung" feststellen muß, es überhaupt erst schufen, ein weiterer Ansporn im Kampfe für eine bessere Zukunft sein. (Heinrich)

Abschließend die Bilduntertitel zu diesem Artikel: Die Lehrer des Dorfes hatten bisher wenigstens während des Winters Schulspeisungen durchgesetzt. Jetzt ist kein Geld mehr dafür da. Denn die preußische Regierung hat die Ausgaben für Kinderspeisung allein 1931 um 80 000 Mark gekürzt. SPD, Zentrum und Nazis lehnten gemeinsam den kommunistischen Antrag auf Erhöhung der Mittel für Kinderspeisung ab - und bewilligten gleichzeitig 80 Millionen für die Kirche.

Hier wohnen sechs tuberkulöse Menschen. Die Betten sind trotz peinlicher Sauberkeit angefault. Denn "es gibt Häuser, die stinken vor Feuchtigkeit so, daß gleich das ganze unterste Stockwerk unbewohnbar ist. In anderen läuft wenigstens der Keller voll Wasser... Trockene Häuser gibt es kaum, denn keines ist gegen Erdfeuchtigkeit isoliert" (Frkft.Ztg.).

Der Schrank steht mitten im Zimmer, damit er nicht durchfault. Das Kinderbett ist gegen die nasse Wand notdürftig durch ein dünnes Tuch geschützt. Und für diese Tuberkulosebrutstätten müssen die Arbeitslosen, hungernden Bewohner auch noch Miete zahlen.

Der einzige Mann des "oberen Dorfes", der manchmal noch Arbeit hat. Er ist Bauarbeiter und klassenbewußter, aktiver Kämpfer für eine Zukunft, in der es nicht mehr möglich sein wird, daß Arbeiterkinder in feuchten Wohnhöhlen verkommen!

Dieser Mann ist seit acht Jahren erwerbslos, tuberkulös und hat zwei schwer rachitische Kinder. Und er ist nur einer von Hunderten! Die Frankfurter Zeitung sagt wörtlich: "Daß das Unglück so groß würde, hat man weder gewollt noch vorausgesehen; aber die B e h ö r d e hat das Ganze doch eigentlich erst geschaffen."

Ruinen des 1913 stillgelegten Bleibergwerks Friedrichssegen. In diese an das zaristische Sibirien erinnernde Gegend hat man zwangsweise die arbeitslosen Familien verbannt, die hier langsam verhungern können.

Dieses Tal der Verbannten liegt aber in keinem Zarenreich: es gehört zum preußischen Staat, es ist ein Stückchen Anschauungsunterricht, wie das berühmte "kleinere Übel" in Wirklichkeit aussieht.

"Durch die Straßen geht müde, schleichenden Schrittes,
die Kleidung zerschliessen, ein Mann.
Das Schuhwerk mit Draht gebunden,
damit es Sich nicht von den Füßen lösen kann.

Im jungen Gesicht schon Falten rasten.
Verbissenheit zeigen die Züge.
Den Körper gebeugt, als seien es Lasten,
Die auf den Schultern er trüge.

Und Würste und Brot in Schaufenstern necken
Und tief in den Augenhöhlen stecken

Zwei Lichter; sie flackern so trübe
Den Armen, mit ihrer Güte.

Sein Schritt zieht hin, wo aufgeschlagen,
Geächtet, abseits der Stadt,
Baracken aus Holz; wo Elend naget,
Wo Sorge und Not seine Bleibe hat."

Dieses Gedicht sandte der Arbeitslose V. Julius Wagner aus Friedrichssegen bei Oberlahnstein, zusammen mit einer Reihe erschütternder Dokumente, und in diesen wenigen Zeilen faßt er die Trostlosigkeit seines Zustandes und der Existenz Millionen anderer Verdammter dieser Erde zusammen.

Diese Schilderungen der großen Not in unserem Dorfe prägten Jahre lang die Meinung der Menschen in der näheren Umgebung von Friedrichssegen, selbst dann noch, als die alten und neuen Bewohner unseres schönen Dorfes durch ihre Tatkraft und ihren Fleiß bewiesen hatten, daß es sich nur um Zeit- umstände handelte, die nur zu einem kleinen Teil von den damals hier lebenden Bewohnern verursacht waren.

Neben den beiden großen christlichen Kirchen fand 1932 die "Neuapostolische Kirche" Eingang in unseren kleinen Ort. Die anfangs kleine Schar von Gläubigen wuchs sehr schnell, so daß sich 1933 bei offizieller Gemeindegründung 35 Seelen in ihrem schlichten Gotteshaus "Glückmanns-Häuschen" versammlen konnten.

Die erfreuliche Entwicklung wurde, wie so vieles, mit dem Kriegsausbruch 1939 jäh unterbrochen. Das kleine Kirchlein mußte geräumt werden, und erst 1950 konnte die Gemeinde wieder einen würdigen Gottesdienst-Versammlungsraum im ehemaligen Kutscherhaus der Familie Multhaupt (auch bekannt als ehemalige Autogarage) beziehen. Dieses Haus, seit 1972 im Eigentum der Neuapostolischen Kirche, ist noch heute Mittelpunkt des Gemeindelebens.

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