Wir möchten Sie mitnehmen auf einen Spaziergang durch das Tal von
Friedrichssegen, hierhin wo einmal die Maschinenanlagen standen und viele
Hundert Menschen ihr zu Hause und ihre Arbeit gefunden hatten... damals, als die
Grube ihre Blütezeit hatte bevor sie 1913 in Konkurs ging.
Heute findet man noch eine Fülle von Überresten die auf den ehemaligen
Bergbau und die Bergbausiedlungen hindeuten wie z. B. Stollenmundlöcher,
Hausfundamente, Mauerreste, die Ausgrabungen der Friedenskirche, Abraumhalden
und Teiche sowie 5 Häuser welche noch aus dieser Zeit
stammen und den langsam verfallenden alten Bergmannsfriedhof. Es gibt kaum ein
Gebiet im
Rheinischen Schiefergebirge, in dem man eine Fülle von Bergbaurelikten
so konzentriert vorfindet wie im Friedrichssegner Tal.
Es bedarf schon
eines ortskundigen Führers wenn man alle die Zeugen der Vergangenheit finden
möchte und den fand ich in Herr Hans-Günther Christ der die "wandelnde Chronik"
von Friedrichssegen ist. Aus meiner Kindheit und aus den Erzählungen meines
Vaters, der hier aufwuchs, kannte ich noch einiges, erkannte es jedoch oft nicht
wieder da die Natur sich das Tal zurückgeholt hat im Laufe der Jahre. Mit Herrn
Christ zusammen, der noch so wundervolle, alte Begebenheiten und Anekdoten
erzählen kann, machte diese kleine Reise in die Vergangenheit eines einst
blühenden Ortes sehr viel Freude.... begleiten Sie uns nun auf unserem
Spaziergang am 13.Oktober 2005, einem warmen Herbsttag....
Wir starten beim zweitältesten Haus von Friedrichssegen "Haus Süßgrund", welches heute am Anfang des Baugebietes "Ahler Kopf" steht.
Fotos ©EmaeS |
Vorbei am ehemaligen Kutschergebäude der Familie Muthaupt, in dem sich heute die neuapostolische Kirche von Friedrichssegen befindet,
erreichen wir das ehemalige "Wiegehaus" der Grube Friedrichssegen. Ab 1913 war hier das Standesamt das vorher im Zentralbüro der Grube zu finden war. Heute wird das hübsche Haus von der ehemaligen Direktorin der Grundschule, Frau Berger, bewohnt.
Hier sehen Sie eine Aufnahme von 1910. Der linke Pfeil zeigt auf das Wiegehaus, der rechte Pfeil auf die Häuserreihe die sie im unteren Bild sehen. Beide Häuserreihen auf dem alten Bild stehen heute noch und sind bewohnt.
Mein Vater wurde in diesem Gebäude groß... was mich immer wieder berührt wenn ich daran vorbeifahre.
Modell des Bergbaumuseums - Haus von hinten |
Oktober 2005 - Haus von vorne |
Fotos ©EmaeS |
Foto ©EmaeS
Und hier die Häuserreihe links hinten im alten
Bild im Oktober 2005
Der Weg führt uns das Tal hinauf und wir erreichen, am Mahnmal für die von 1941 - 1942 im Tagschacht untergebrachten Juden die von Friedrichssegen aus deportiert wurden (siehe auch "Juden von Friedrichssegen)
Foto ©EmaeS
...die
evangelische Kirche, welche neu gebaut wurde in den Jahren
1964/65.
Würde jetzt noch die Grubenbahn fahren zur Geisterstunde dann
führe sie mitten durch das Gotteshaus... denn dort verlief früher die Trasse der
Grubenbahn.
Und noch eine weitere Geschichte hat die kleine Kirche zu bieten, Dort wie die
Kirche heute steht, war in den letzten Kriegstagen
eine Artilleriestellung der Deutschen Wehrmacht eingerichtet. Diese Aristellung,
die den amerikanischen Truppen, durch ihre Treffsicherheit, viele Verluste
bereitete, war dann auch wohl die Ursache der schweren Kämpfe, bei denen es dann
auch auf beiden Seiten zu erheblichen Verlusten kam.
Noch ist der Weg flach, und das Tal weit.... hier stand einstmals, am Moritzstollen, die Elektromagnetische Aufbereitungsanlage (davor Aufbereitungsanlagen No. 3 und No. 4)... im Bild unten: "Einst und Heute"...
Genau gegenüber findet sich noch (ebenfalls liebevoll erhaltenes Relikt aus vergangenen Tagen), wenn man über den kleinen Erzbach geht, ein Kaminrest der elektromagnetischen Erzaufbereitung.
Weiter oben im Tal, unweit der ehemaligen Elektromagnetischen Aufbereitungsanlage kommen wir an die Stelle wo früher die Gasanstalt "Förderdell" gestanden hat.
Die beiden Bilder zeigen wie es im Oktober 2005 an der gleichen Stelle aussieht. Nichts erinnert mehr daran das hier eine Anlage stand.
Das alte verrostete Rohr, welches mir auffiel, und das in den Felsen hineinführt, hat natürlich auch einen Bezug zur Grube.
Hier führte die Wasserleitung durch für die Flotationsanlage der AG des alten Berges, welche auf der anderen Seite des Hügels lag und die 1952 in Betrieb genommen wurde zum Abraum der Halden. Eine neue Halde für den Abraum der neuen Flotationsanlage wurde unterhalb des Biebricher Hofes auf den Schratwiesen angelegt. 1957 wird die Aufbereitungsanlage der AG des Altenberges, die zwischenzeitlich auch Erze anderer Gruben aufbereitete, wegen des Verfalls der Erzpreise unrentabel. Der Betrieb wird wieder eingestellt. Die Häuser, welche oberhalb des ehemaligen Standortes der elektromagnetischen Aufbereitung extra für die Angestellten der Flotationsanlage gebaut wurden, gehen in Privatbesitz über... heute ein schönes, ruhiges Wohngebiet zur Neuen Welt gehörend.
Beim Weitergehen sehen wir rechts am Wald das, vom Arbeitskreis Grube Friedrichssegen, restaurierte Viadukt1 der ehemaligen Grubenbahn bei Grubenbahnkilometer 1,8 KM. Es wurde deshalb damals erbaut weil der Erzbach noch hier floss, der erst später umgeleitet wurde und heute ab oberhalb der neuen Schule verrohrt ist.
Zu meine Kindertagen hat noch unser Hund daraus getrunken wenn wir vom Wandern kamen, direkt gegenüber des alten Wiegehauses von wo aus er dann in die Lahn floss.
Einige Meter weiter treffen wir auf 2 dicht zusammenstehende Birken mitten im Weg. Dort
wo heute Birken stehen begann früher die Steigung der Grubenbahn mit Zahnstangen
mit einer Steigung von 1 : 10.
Viele Infos über diese erste Zahnradbahn in Preußen (eröffnet 18. November 1880
nach einem Jahr Bauzeit) finden Sie wenn Sie auf das kleine
Bild hier klicken das den Namen der zweiten Lok von Friedrichssegen zeigt. Sie
wurde1882 von Krauss in München geliefert, erbrachte eine Leistung von 100 PS,
und trug den Namen "Friedrichssegen".
Allgemeine Erklärung: Zur Grubenbahn
gehören Bahnanlagen, die im Bergbau, über wie auch unter Tage, zum Abtransport von
Erzen und Kohle verwendet werden. Heute werden Grubenbahnen meist elektrisch
betrieben. Früher waren es meist Kleinpferde die man als Zugtiere einsetzte Bei
sehr beengten Verhältnissen wurden auch Kinder eingesetzt.
Als erste Zahnradbahn der Welt wird die von
John Blenkinsop
(englischer Grubenbetriebsleiter
und Ingenieur *1783 bei Leeds - †22. Januar 1831)
in Middleton in Großbritannien konstruierte Grubenbahn anerkannt, die am 12.
August 1812 ihren Betrieb aufnahm.
Von dort aus schaut man über einen kleinen Weiher an deren Ende
einmal die Aufbereitungsanlage No. II stand (Aufbereitungsanlage No. I stand am
Carl-Stollen und No. 3 und No. 4 dort wo dann 1880 die elektromagnetische
Aufbereitungsanlage gebaut wurde) und ein einstöckiges Grubengebäude
in dem der Aufseher der Anlage wohnte. Im Volksmund hieß es nach seinem Besitzer
"Glückmanns Häusche". 1933 wurde dieses Haus von der neuapostolischen Gemeinde
angemietet als Kirchenraum, da es bisher noch keinen Versammlungsraum für diese
Glaubensgemeinde in Lahnstein gab und sie bisher von der Nachbargemeinde Koblenz
Gottesdienstlich betreut wurden.
1934/35 ging es wieder in privaten Besitz über.
Bei genauerem Hinsehen kann man gegenüber noch ein Mauerrest des Grubenbahnviaduktes 2 erkennen.
Ein Grasbüschel, so einsam und verloren mitten auf einem kahlen Platz,... ob es wohl davon träumt wie es zu Grubenzeiten war, als hier der Eiskeller stand in dem das Wachs lagerte aus dem die Gasfabrik Gas herstellte... oder ob es sich dran erinnert wie später die Kinder, die von der Schule kamen, hier eine Rast einlegten... wir werden es sicher nicht erfahren....
... und so wandern wir weiter die Steigung des Tales hinauf und erreichen den Carl-Stollen, dessen Vorplatz und Eingang aufwendig restauriert wurden vom Arbeitskreis Grube Friedrichssegen...
Fotos ©EmaeS
Info-Schild
Vorplatz Carl-Stollen
Fototermin am Heinrichstollen.
Der halb rechts im Vordergrund zu sehende Stein steht heute hier am
Eingang zum Carl-Stollen
Stollenmundloch in der Mitte des Bildes zu sehen
Foto ©EmaeS
Alte Lore, welche aber nicht aus der Grube Friedrichssegen stammt
Foto ©EmaeS
Eingang zum Carl-Stollen
.... und gehen weiter
bis
zu den alten Halden die heute noch gute Fundmöglichkeiten bieten und gerne
besucht werden aus dem ganzen Bundesgebiet um nach Mineralien zu schürfen. Die
Halden befinden sich heute in Privatbesitz und schürfen ist erlaubt sofern man
keine Bäume und Büsche ausreißt und die Schürflöcher wieder zuschüttet.
Was mich ein wenig aufregte war, das es wohl Mitmenschen gibt die meinen ihr
Bauschutt fällt zwischen den vielen Steinen nicht auf,... für mich zeugt es
davon wie einige Menschen mit ihrer Umwelt und Kultur umgehen... nicht sehr
pfleglich und rüpelhaft ihren Mitmenschen gegenüber!
Natürlich erwachte sofort wieder mein Sammeltrieb aus Kindertagen
der mich früher Kiloweise Steine nach Hause tragen lies. Besonders schlimm war
das immer wenn wir in den Bergen Urlaub machten. Ich glaube das meiste Gewicht
unseres Gepäckes auf der Heimreise machten die Steine aus die ich aus den Alpen mit schleppen
musste.
Und so fing ich dann auch zaghaft an zu suchen, ohne jedoch die Hänge zu
erklettern (ich habe Höhenangst), und gemeinsam mit Herrn Christ, der natürlich
den "Mineralienblick" hat, fand ich ein paar hübsche Stücke die ich stolz nach
unserem Spaziergang nach Hause trug (Einzelstücke siehe "Mineralien")... sie sorgfältig säuberte und trocknete und
welche jetzt in einer schönen, goldenen Schale einen Ehrenplatz in meiner
Wohnung gefunden haben.
Bunte Sammlung in goldener Schale
Wir kommen nun zum "Felix-Stollen", dessen Stollenmundloch ebenfalls restauriert ist, und eine kleine Ablauf-Rinne gebaut wurde über die Wasser aus dem Stollen nach draußen abfließen kann.
Hier der Stolleneingang im Modell des Bergbau Museums, rechts im Bild das Scheidhaus |
Und hier sehen Sie wie dieser Ort im Jahre 2005 aussieht. |
Fotos ©EmaeS |
Schräg gegenüber des Felix-Stollen, verborgen hinter Büschen und Gräsern,...
Foto ©EmaeS
Oben rechts das ehemalige Direktorenhaus
...versteckt sich das Stollenmundloch des Heinrich-Stollen der, bevor er diesen Namen erhielt, der tiefe Stollen genannt wurde.
Nur 2 Wochen nachdem das obere Bild vom Stollenmundloch des Heinrich-Stollen entstand hat sich das Bild verändert. Der Arbeitskreis Grube Friedrichssegen hat das, ein wenig verwunschen aussehend Stollenmundloch, restauriert und so hergerichtet wie es damals ausschaute als die Bergleute von hier aus noch in die Tiefe des Berges gingen.
Ein Stückchen weiter sehen wir 4 alte Bäume oberhalb einer kleinen erhaltenen Mauer stehend... gesetzt wurden sie anno 1872.
Die Natur hat überlebt wo es von Menschenhand geschaffenes schon lange nicht mehr gibt.... nur noch ein Stückchen Mauer ist von der Rückwand der Schmiede erhalten geblieben...
Rechts oberhalb des Mauerrestes sehen wir auf das ehemalige Obersteigerhaus, das seinen alten Glanz noch bewahrt hat. Heute steht es einsam im Wald, und dort wo früher so viele Gebäude standen (Casino, Kegelbahn usw.), träumt es heute im Frieden des Waldes vor sich hin.
Bevor wir den Rückweg antreten stehe ich noch versonnen vor
einem Stückchen Wildnis, und versuche mir vorzustellen, das dort wo heute
nichts als Bäume, Büsche, Hecken und Waldboden zu sehen ist einstmals das
Hospital, das Zentralbüro, die Apotheke und das öffentliche Bad standen.
Und, ganz ehrlich, bei aller Phantasie kann ich mir das nicht vorstellen so
sehr hat die Natur alles wieder vereinnahmt.
Hier ist auch der Anfang des Waldweges der zum alten Bergmannsfriedhof führt
(Schild links im Bild), und sollten Sie einmal unser schönes Tal besuchen
dann nehmen Sie sich die Zeit und besuchen den alten Bergmannsfriedhof
mitten im Wald. Die Eindrücke welche ich von meinen Besuchen dort
mitgenommen habe möchte ich nicht mehr missen wollen....
Hier noch ein Blick auf den Berg "Tiefen-Tal" , wo zu Zeiten der Römer erste Schürfungen stattgefunden haben sollen. 1220 wird erstmals eine Grube "Diefendahl" erwähnt. Heute ist noch nicht einmal ein Hinweisschild auf die "große" Vergangenheit des Berges vorhanden und ich weiß es nur, dank meines Wegbegleiters bei diesem Spaziergang durch die Vergangenheit, Herrn Hans-Günther Christ.
Der Weg führt uns zurück, vorbei an einem Restchen Mauer, kaum erkennbar im Dickicht des Waldes, und Herr Christ erklärt mir das dies ein Überbleibsel ist von einer Mauer die einen halben Meter hoch das gesamte Arenal der Grube einfriedete... stellt man sich das bei der Größe des Gebietes vor ist das schon fantastisch...
Das kleine, weiße Haus an dem wir vorbeigehen, ist auch noch eines der 5 Häuser welche noch aus Grubenzeiten stehen. Es war einmal das Magazin der Grube Friedrichssegen und es ist heute noch, wie die anderen 4 Häuser auch, bewohnt.
Hier, wo das blaue Auto steht war einmal das Sägewerk der Grube. Friedrichssegen war damals, bis auf Lebensmittel total autark (kommt aus dem Griechischen und bedeutet „vom Ausland unabhängig“). Dies scheint sich bis in die heutige Zeit zu ziehen... Friedrichssegen ist zwar nicht mehr autark, aber es gibt auch leider keinen Lebensmittelladen mehr. Dies ist sehr schade bei der wachsenden Anzahl der Bevölkerung in unserem kleinen Ort.
Und so gehen wir langsam nach Hause zurück,
und überlassen das Tal wieder seinem Dornröschenschlaf, in dem es nun seit
so vielen Jahren ruht. Es ist so still um uns, die Ruhe nur unterbrochen vom
Schrei eines auf geschreckten Vogels. Es dröhnen keine Maschinen mehr, keine
Schornsteine schicken ihren Rauch zum Himmel, das Lachen der Kinder, und die
Stimmen der vielen Menschen, welche hier einstmals das Tal bevölkerten, sind
verstummt. Aber wenn man sich die Zeit nimmt zum Verweilen kann man
vielleicht noch das rege Leben von damals spüren.... es bedarf nur ein klein
wenig der Phantasie... und wenn man offen dafür ist kann man auch die Steine
"sprechen" hören die erzählen von einem einstmals blühenden Tal das in
Vergessenheit geriet weil man sich nur auf einen einzigen Wirtschaftszweig
konzentriert, und somit unterging als die Erzvorkommen zu gering wurden um
sie zu fördern und dadurch alles dem Verfall oder Abriss preisgegeben wurde,
und viele Menschen ihre Arbeit und ihre Heimat verloren.
Heute stehen von den ehemals 80 Gebäuden, der Ortsteile "Kölsch Loch" und
"Tagschacht" nur noch 6. Somit wohnen im alten Friedrichssegen nur noch 18
Menschen (ohne Gewähr).....
Hier finden Sie einen Situationsplan des Bergbaudorfes Friedrichssegen um 1905
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